VON DER DEMOKRATIE ZUR BIOKRATIE

 

Seit Aristoteles wurde „Politik“ in Abgrenzung zur „Natur“ definiert. Um glücklich zu sein sollte der Mensch den Naturzustand möglichst verlassen und in ein geregeltes Gemeinschaftsleben übertreten. Der demokratisch organisierte Stadtstaat ist die Frucht des erfolgreichen Austritts aus dem unheiligen Naturzustand. Die Tatsache, dass der Mensch heute in einem anderen Verhältnis zur Natur steht und die, im demokratischen Verständnis innewohnende Logik bedingt, dass wir weiterentwickeln was wir bisher unter Politik verstanden haben.

 

„Leaf Politics“ will zwei Dinge. Erstens den Rahmen dessen erweitern, was langläufig als „politisch“ oder als Inhalt von „Politik“ verstanden wird und zweitens ganz spezifisch „Bäumen“ eine Stimme geben.“

Wir verfolgen den Ansatz, dass „nicht-menschliche Wesen“ heute nicht mehr aus der Politik ausgeschlossen werden können. Zwangsläufig ist das, was wir unter dem Naturbegriff und seinen Lebewesen verstehen seit jeher insofern „politisch“ als dass wir es quasi durch die Brille unserer Menschlichkeit sehen, verstehen und interpretieren.

„Auch wenn Tiere und Pflanzen keine politischen Wesen sind, so ist unser Umgang mit Ihnen ein politischer.“

War die Beziehung des Menschen zur Natur über Jahrhunderte von Angst und Unsicherheit bestimmt und galt es stets diese Unsicherheit berechenbar zu machen und der Angst mit Kontrolle und „Unterwerfung“ entgegenzutreten, so ist der Gegenspieler des Menschen heute nicht mehr die Natur, sondern der Mensch selbst. Wildnis und Natur, jenseits des Menschen, gibt es heute nicht mehr! Die Wolfsdebatte in der Schweiz führt klar vor Augen, dass der Wolf als Wildtier nicht nur passiv politisiert wird, wie nie zuvor ein wildes Tier Eingang in den politischen Diskurs auf der höchsten Ebene gefunden hat, sondern dass mit ihm zusammen auch klar wird, wie offensichtlich wir ihn einem Lebensraum, nämlich der Wildnis, zuordnen und uns fragen, ist die in der Schweiz überhaupt noch genug Platz, um ihm ein Leben in Abgeschiedenheit zu garantieren. Auch wenn der Wolf, wie der Fuchs, seinen Lebensraum in den Siedlungsraum verlegen könnte, sind wir davon überzeugt wohin er gehört!

„Die Grenzen zwischen den Lebensräumen sind aufgehoben“

Das Denken in Kategorien führt zu absurden Tatsachen und entschuldigt in vielen Situationen amoralisches Handeln. Ein gutes Beispiel ist die Regulation von Wildtierpopulationen. Während einerseits argumentiert wird, dass eine menschliche Lenkung der Bestandesgrössen unabdingbar ist (dies wird damit begründet, dass natürliche Grossraubtiere fehlen), verbietet man gleichzeitig- per Gesetz- die Rettung eines kranken oder geplagten Fuchses durch eine tierärztliche Behandlung mit dem Argument der natürlichen Selektion.

 

Obwohl wir der Meinung sind, dass die herkömmliche Form der politischen Debatte über nicht menschliche- Wesen defizitär ist, sind wir aber auch überzeugt, dass die Demokratie den ideellen Rahmen bietet, das Defizit zu reduzieren. Defizitär ist die Tatsache, dass nicht- menschliches Leben, mangels einer Sprache , entweder unberücksichtigt bleibt oder aber auf unerträgliche Weise instrumentalisiert wird. Wenn Naturschützer auf der einen Seite und Bauernverbände auf der anderen über den Wolf streiten, liegt die Existenzfrage des Tieres in einem Streit zwischen zwei politischen Lagern.

Während wir Streiten bleiben die Bäume stumm- sie sind das vermittelnde Glied zwischen den Parteien.

Während Tiere als Botschafter des Klimaschutzes, als Instrument von Politainment (der Emotionalisierung des Politischen durch die Medien) oder durch ihre Funktion als Nutztiere bereits erfolgreich instrumentalisiert worden sind, stehen die Bäume stumm an ihrem Platz. Unser Umgang mit ihnen ist noch am Anfang der Geschichte. Entweder wir finden sie schön oder wir fällen sie. Wir sehen in diesem bedenkenlosen Umgang eine Chance!

Bäume repräsentieren das Leben schlechthin. Als Sauerstoffproduzenten ermöglichen sie jede Form des Lebens auf unserem Planeten. Als Nahrungslieferant symbolisieren sie einen eigenen Mikrokosmos, der sie nutzt oder dauerhaft auf ihnen lebt. Als Monument stehen sie in der Landschaft und verbinden Generationen menschlichen Lebens miteinander. In den Jahreszeiten wandeln sie sich und über die Zeit symbolisieren sie Konstanz.

Der Mensch und der Baum sind miteinander verwachsen. Diese Verbindung hat tausende Gesichter. Wenn wir über Bäume reden, dann weil sie uns faszinieren, weil wir ihren Schatten geniessen, weil sie von unseren Grosseltern gepflanzt wurden, weil wir als Kind auf ihnen geklettert sind, weil sie Schutz geben, weil ihr kranker Anblick uns stört oder weil sie Früchte produzieren.

Bäume führen uns in ein Zwiegespräch mit uns und unserem Handeln. Sie treten nie als Kläger auf und scheinen unsere Handeln immer zu tolerieren. Kein Schrei und kein Blut, wenn wir sie Fällen, nur ein Loch das bleibt und dem Menschen selber überlässt, wie er mit der Leere umgehen möchte.

Indem wir den Geschichten zuhören, die Menschen und Bäume gemeinsam haben, sie sammeln und sie allen zugänglich machen, möchten wir einzelnen Bäumen eine Stimme geben und damit auch ein Bewusstsein entstehen lassen, dass es nicht Aufgabe anderer Lebensformen ist zu beweisen, dass sie politische Wesen sind, sondern, dass wir, als politische Wesen, diese berücksichtigen müssen, weil sie Teil von uns sind und damit ist es auch unsere Aufgabe einen Weg zu finden, den Teil ins politische System zu integrieren, der bis anhin noch keinen Eingang gefunden hat. Es ist dies der Teil des Menschen der nicht interessegeleitet ist, sondern darauf beruht ihn über seine Artgrenze hinaus zu denken.Und weil der Mensch dies kann, muss er es auch tun! Es ist das eine Lebensformen aufgrund von fehlenden Fähigkeiten auszuschliessen, es ist eine Stärke des demokratischen Verständnisses möglichst integrative Lösungen zu finden. Unsere Fähigkeit Empathie zu empfinden, macht sogar vor Robotern keinen Halt. Empathie ist deshalb ein menschliches Interesse seiner selbst gerecht werden zu können.

 

Es ist eine Stärke der Demokratie sich immer weiter zu sensibilisieren und eine integrative Kraft zu entwickeln, die den Menschen nicht auf seine Artzugehörigkeit beschränkt